Als ich mich am Samstag den 15.06. um 5:00 Uhr morgens in die Laufklamotten hüllte und zum 100sten Mal die Pflichtausrüstung und die Verpflegung kontrollierte, sowie hypernervös die schläfrige Service-Crew alias Gemahlin zutextete, waren die Läufer des langen ZUT-Ultratrails bereits die ganze Nacht unterwegs. Ich hingegen versuchte die nächtliche Müdigkeit abzuschütteln und bereitet mich mit Kaffee und Haferflocken auf den Tag vor. Um 5:45 Uhr machten wir uns dann auf den Weg nach Mittenwald.
Am noch leeren Parkplatz angekommen (die meisten Läufer kamen mit dem Schuttlebus aus Garsmisch), legte ich mein ganzes Laufgerödel an und versuchte mich auf das kommende einzustimmen – wie bereits mehrmals erwähnt, war ich wohl sehr nervös! Die “Service-Crew” versucht mich durch liebevolles Betüddeln etwas zu beruhigen, was ihr auch teilweise gelang. Wir wanderten dann zum Bahnhof in Mittenwald, wo der Start stattfinden sollte. Ich reihte mich dann recht frühzeitig zur Kontrolle der Pflichtausrüstung ein. Diese erfolgte auch sehr gründlich aber zufriedenstellend und ich fand mich dann im Startbereich wieder, wo ich von der besten “Service-Crew” von allen weiterhin liebevoll betreut wurde.
Wie man auf den Fotos sieht, hatten wir noch richtig schönes Wetter. Es wirkte, als hätten wir einen schönen sommerlichen Tag in den Bergen vor uns. Und pünktlich um 7:00 Uhr setzte sich der erste Startblock in Bewegung. Das Feld war in zwei Blöcke mit unterschiedlichen Startzeiten aufgeteilt worden, damit es in Mittenwald nicht zu viel Gedränge gibt. Immerhin machten sich ca. 1.000 Läufer auf die 44-Kilometer-Runde.
Glücklicherweise legte sich meine Nervosität dann auch sehr schnell, das geht mir eigentlich immer so bei Wettkämpfen. Vor allem weil sehr schnell die ersten Höhenmeter Richtung Lautersee und Ferchensee zu überwinden waren. Und als wir an diesen schönen Seen vorbei Richtung Schloss Elmau liefen, hatte ich mich gut eingerollt und diesmal auch nicht den üblichen Fehler gemacht, zu schnell zu starten.
Die erste Verpflegungsstation bei Schloss Elmau war dann auch irgendwie überraschend schnell nach 9,5 Kilometern erreicht. Weil ich mich recht frisch fühlte, füllte ich nur schnell eine Softflask auf und mümmelt ein Stück Banane und Wassermelone in mich rein. Dann ging es weiter Richtung Elmauer Alm. Da war dann war auch der erste Anstieg erreicht, der mich veranlasste die Stecken auszupacken und ins Power-Hiking überzugehen. Wie ich übrigens während des gesamten Rennens feststellte, muss ich das mit dem “Power-Hiking” an Anstiegen noch etwas intensiver trainieren.
An Wannbach vorbei und über den Eckbauer Berggasthof, der gerade komplett umgebaut wird, ging es dann hinunter zur Partnach-Klamm. Das war dann auch der erste richtig steile, technisch anspruchsvolle und lange Downhill. Mit technischen Downhills habe ich es ja nicht so und da ich mich von einer schnellen Lauf-Gruppe zur Selbstüberschätzung verleiten ließ, kam es wie es kommen musste, ich legte mich gepflegt hin. Genauer gesagt ich habe wohl einen sehr spektakulären Sturz hingelegt, denn alle um mich herum hielten an, um sich besorgt nach meinem Wohlergehen zu erkundigen.
Ein kurzer Check meines Befindens ergab aber, dass ich mir nichts ernsthaftes getan hatte. Nur auf der rechten Seite war ich wohl auf einen Stein oder meine Stecken geprallt, denn da tat es anfänglich noch ein bisschen weh, was sich dann aber schnell legte. Kurz vor der Partnachklamm stellte ich allerdings fest, dass ich mir (mal wieder) das linke Knie aufgestoßen und das ganze Schienbein vollgeblutet hatte. Das konnte ich an der Partnachklamm aber säubern und das aufgeschlagene Knie hatte auch schon aufgehört zu bluten. An Abend stellte sich dann allerdings heraus, dass meine linke Seite ein mehr als zwei Handteller großer blauer Fleck zierte, der sich im Lauf der Woche dann auch sehr dramatisch verfärbte. Aber während des Rennens habe ich glücklicherweise nichts bemerkt.
An der Partnachklamm beginnt dann der ernste Teil des Mittenwald Trails: Der Aufstieg zum Osterfelder Kopf, mit ca. 1300 Höhenmetern auf knapp 11 Kilometern. Wobei der wirklich harte Teil erst ab dem zweiten Verpflegungspunkt, der Laubhütte anfängt. Da habe ich mich nach 24 Kilometern dann schon etwas länger aufgehalten, wobei es auch daran lag, dass da gerade viel los und vor den Futtertrögen viel Gedrängel war. Aber nach Auffüllen der Flasks, diversen Bechern Cola und Gemüsesuppe sowie Banane und Salzkartoffeln, machte ich mich an den Aufstieg Richtung Hochalm. Und das sind ein paar richtig harte Kilometer.
Man arbeitet sich in Serpentinen durch den Wald in Richtung eines Grades hoch. Auf diesem Grad ist eine Cheering Zone, was mir aus diversen Videos zwar bekannt war, mich aber doch nicht darauf vorbereitet hat, was dann auf mich zukam. Man hört das Gejubel und die Musik bereits einige Zeit vorher und das macht den Anstieg etwas irritierend. Man marschiert und die machen Party. Man marschiert immer noch und die machen Party. Und die Geräuschkulisse gibt einem ständig das Gefühl gleich oben zu sein, aber nein, es kommt immer noch eine weitere Kehre…. 😉
Aber wenn man dann die letzte Kehre erreicht hat, ist es schon der Wahnsinn schlechthin. Man wird von vielen Schaulustigen geradezu nach oben gebrüllt und gefeiert. Kuhglocken bimmeln, man wird angefeuert und es wird einem auf die Schultern geklopft – ich glaube, ich weiß jetzt ein bisschen, wie sich die Radfahrer bei der Tour de France bei den Gipfelankünften fühlen…. An dieser Stelle an alle, die da oben den ganzen Tag ausharren und jeden einzelnen Läufer nach oben auf den Grad treiben, ein ganz HERZLICHES DANKESCHÖN, Ihr seid echt der Wahnsinn!
Das war dann auch der Moment, in dem ich realisierte, dass ich gerade das Event absolvierte, auf das ich ein halbes Jahr hin gefiebert und mich über ein Vierteljahr vorbereitet hatte. Ich muss zugeben, ich hatte, als ich zwischen den jubelnden Massen auf den Grad stieg und Richtung Hochalm weiter marschierte, ein bisschen wässrige Äuglein. 😉
Dann geht es weiter Richtung Hochalm, der nächsten Verpflegungsstelle und den Osterfelderkopf, der höchsten Stelle des Mittenwald Trail. Das ist noch ein ganz fieses Stück Weg, denn man befindet sich auf einem breiten eher öden Weg oberhalb der Baumgrenze und hat durch die Cheering Zone eigentlich doch den Eindruck, man sei schon oben. Aber nein, man muss da schon noch einige Höhenmeter (ca. 300) überwinden….
Hatten wir bisher jetzt noch ziemlich Glück mit dem Wetter gehabt, fing es auf der Hochalm leicht zu nieseln an. Ich holte meinen dünnen Windbreaker raus, die Regenjacke schien mir etwas zu übertrieben. Nach Auffüllen der Flasks, ein paar Bechern Cola sowie einer leckeren (von der Hochalm gestifteten) Karotten-Ingwer-Suppe sowie ein paar Stück Tzampas-Riegel (#doppelschmatz, siehe auch Teil 1) machte ich mich auf den letzten kräftezehrenden Anstieg Richtung Osterfelderkopf. Vorher rief ich noch kurz die “Service Crew” an, um sie über den aktuellen Stand zu informieren.
Auf dem höchsten Punkt angekommen, war es dann schon ziemlich kühl und zugig. Es hatte sich eingeregnet und es wehte bei sicherlich einstelligen Temperaturen ein recht heftiger Wind. Die tapferen Streckenposten von der Bergwacht (auch euch ein herzliches Dankeschön) waren schon sehr eingemummelt. Man hatte auch nicht das Gefühl, dass es Juni ist.
Vor der Seilbahnstation ging es dann nach rechts und bergab. Ich klappte die Stöcke zusammen, packte sie weg und als ich mich auf die 10 Kilometer abwärts nach Garmisch machte, rief mir ein Bergwachtler hinterher: “Gleich gibt’s Schnaps!”. Ich wusste aus diversen Videos schon worauf er anspielte, aber irgendwie war ich doch nicht auf die drei Typen mit den rosa Lockenperücken und rosa Ballettröckchen, die mir Wiskey-Sour, Gin-Tonic, Aperol-Spritz oder Bier anboten, vorbereitet. Lachend passierte ich den Tisch und lehnte die alkoholischen Angebote dankend ab. Das machen die echt jedes Jahr! 😀
Und dann ging es zuerst auf einen recht technischen Downhill, den ich angesichts meiner Erfahrungen von der Partnachklamm eher defensiv anging. Man passiert nochmal die Cheering Zone und ab da geht es ziemlich steil auf Forstwegen bergab zur letzten Verpflegungsstation, dem Garmischer Haus. Der Regen wurde phasenweise stärker, aber die Temperatuen wurden wenigestens wieder wärmer je weiter man nach unten kam. Inzwischen machten sich die über 30 Kilometer bemerkbar und meine Knie und die Oberschenkel waren überhaupt nicht mehr damit einverstanden, was ich ihnen da zumutete. Die wenigen Stückchen, an denen man nochmal bergauf musste, waren direkt eine Erleichterung.
An der letzten VP hätte ich vorbeilaufen können, aber es hatten sich inzwischen ein Haufen Steinchen in den Schuhen angesammelt, die durch das Bergablaufen nach vorne in den Schuh rutschten und bei jedem Schritt unangenehm auf die Zehen drückten. Also Schuhe entleeren, doch noch ein paar Bananestückchen futtern und weiter ging’s auf die letzten fünf Kilometer. Ich war aber inzwischen so mürbe, dass ich kaum mehr bergab laufen konnten, sondern mich auf schnelles Wandern beschränkte.
Als es dann aber auf den letzten knappen zwei Kilometern wieder eben wurde konnte ich sogar wieder ein bisschen laufen. Also so in der Art “müdes Traben”. Dann muss man kurz vor dem Ziel noch einen Schlenker mit Treppensteigen (Aua! Aua! Aua!) hinter sich bringen und dann war es soweit: Nach achteinhalb Stunden lief ich glücklich ins Ziel ein!
Und dann ging’s in die Kongresshalle noch was futtern, der “Service Crew” einen detaillierten Wettkampfbericht geben und das Finischer-Shirt abholen. Und wie ihr es vielleicht schon vermutet: Das war ein richtig geiles Rennen. Ich hatte alles zwischen richtig Spaß und argen Schmerzen. Aber ich will das wieder haben und plane deshalb den Mittenwald Trail nächstes Jahr wieder zu laufen. Und da ich jetzt weiß, was auch auf mich zukommen würde, geht es vielleicht ein bisschen schneller. Die acht Stunden ärgern mich doch ein bisserl, ich hatte eine 7 Stunden Zeit avisiert. Aber dann halt im nächsten Jahr… 😉 Diesmal ging es ums Durchkommen.
Und jetzt bleibt mir nur noch ein fröhliches “Keep on Running!”.
Fotos: Die Gemahlin und Sportograf
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Herzliche Glückwünsche 🙂