Es ist stockdunkel.
Logisch, ist ja auch erst halb sieben. Morgens. Anfang Februar. Selbstverständlich ist es da noch dunkel. Ich stöhne müde.
Es nieselt. Die Regentropfen wirken im Licht der LEDS meiner Stirnlampe wie Schneeflocken. Ich weiß es aber besser. Kein Schnee, leider nur Regen. Ich seufze.
Der Kegel meiner Stirnlampe erhellt einen kleinen Teil des Weges vor mir. Nur das Geräusch meiner Schritte und mein Atmen sind zu hören. Ich bin sanft eingehüllt in Dunkelheit. Ich beginne zu lächeln.
Ich biege in den Weg ein, der an dem Neubaugebiet entlang führt. Wie immer um diese Uhrzeit alle paar Meter dunkle Gestalten. Begleitet von starrenden Augenpaaren, die im Licht meiner Stirnlampen-LEDS aufleuchten. Hundebesitzer und ihre Lieblinge beim Morgengassi. Man kennt sich inzwischen und nickt sich kurz zu. Also ich nicke, was man am stärkeren Auf- und Ab-Wippen meines Stirnlampenlichtkegels erkennen kann. Ob die Hundebesitzer wirklich zurücknicken, weiß ich nicht. Ich gehe vom Guten im Menschen aus und fühle mich angenickt. Dass die Hund nicht grüßen, kann ich verstehen, ich bin denen vielleicht unheimlich…. Der Gedanke, dass die Hunde dieses rennende Wesen mit dem wippenden Licht auf dem Kopf unheimlich finden könnten, hebt meine Laune – normalerweise ist das im Verhältnis “Hund zu Läufer” umgekehrt. Ich grinse breit.
Ich überquere eine Straße und laufe auf einem Flurweg weiter. Biege in das nicht mehr ganz so neue Neubaugebiet ein. Vorbei an der Endstation einer der Buslinien, die den Westen unserer kleinen Stadt in Mittelfranken mit öffentlichem Nahverkehr versorgen. Ich stelle fest, dass ich heute entweder früher losgelaufen oder schneller unterwegs bin. Der Bus, der sonst immer an der Endhaltestelle kurz Pause macht, ist noch nicht da. Dafür stehen ein paar frühe Werktätige rauchend im Bushäuschen und starren mich wie jeden Morgen an, als wäre ich nicht bei Verstand. Normalerweise starren sie aus dem warmen Bus heraus, aber jetzt stehen sie noch frierend und rauchend in der feuchten Kälte und halten mich für noch bekloppter als sonst. Ich rufe ihnen ein gut gelauntes “Morgen” zu. Sie starren zurück. Ich lächle fröhlich.
Ich laufe an meinem Fitnesscenter vorbei. An den großen offenen Fensterfronten auf der Rückseite. Das Licht ist schon an, die Vorbereitungen für diesen Fitnesstag laufen bereits. In ungefähr einer Stunde werden sich die ersten auf den Laufbändern einfinden. Die Laufbänder stehen teilweise an der Fensterfront, so dass man beim Indoorlaufen ins Freie schauen kann. Der Rest steht in Richtung der Fernseher, die von der Decke herab hängen. Dann kann man beim morgendlichen Laufbandlaufen das Morgenmagazin kucken. Ich bedauere die Laufbandläufer ein bisschen und nehme den Weg zum Einkausfzentrum. Ich denke “Weicheier!” und grinse.
Ich laufe an zwei Bäckereien vorbei. Der Duft frisch gebackener Brötchen umweht mich auf 100 Metern. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Ich freue mich auf mein Morgenmüsli. Ich grinse schon wieder.
Ich verlasse das Stadtgebiet. Auf dem neuen Fahrradweg an der neuen Straße am neuen Neubaugebiet entlang. Autos, gefüllt mit frühen Werktätigen, fahren aus der kleinen Stand in Mittelfranken in Richtung der noch kleineren Stadt mit den vielen Sport-Outlets. Das Licht ihrer Scheinwerfer erhellt meinen Weg. Ich habe Gegenwind. Auf diesem Teilstück habe ich immer Gegenwind. Ich beiße die Zähne zusammen und ziehe das Tempo an.
Im Sommer werde ich hier wahrscheinlich den MP3-Player dabei haben und jetzt einschalten. Heavy Metall wird mir in die Ohren dröhnen, eine Stimme wird “Welcome to Tabata! Are you ready?” brüllen und einen Countdown herunter zählen…. Aber erst ab dem Frühling. Ein dunkler und nasser Wintermorgen ist keine passende Zeit für Tabata-Intervalltraining. Finde ich jedenfalls Jetzt ziehe ich das Tempo nur ein bisschen an, weil mich Gegenwind und ins Gesicht peitschender Regen frösteln lassen. Ich lächle grimmig!
Kurz vor dem nächsten Dorf biege ich auf einen Feldweg ein. Zwischen Äckern hindurch. Ich umgehe große Pfützen. In manche trete ich auch rein. Das stört meinen meditativen Gedankenfluss. Mein Kopf beginnt sich mit der Planung des Tagesablauf zu beschäftigen. Ich laufe auf das kleine Dorfes am Rande der kleinen Stadt zu. An einem Weiher vorbei, in dem sich die Lichter aus den Häusern spiegeln. Das kleine Dorf erwacht. Im Osten dämmert es schon. Meine Morgenrunde nähert sich dem Ende. Ich lächle wehmütig.
Ich biege in das Dorf ein. Schulkinder auf dem Weg zur Bushaltestelle kommen mir entgegen. Sie taumeln schlaftrunken unter der Last ihrer riesigen Schulranzen. Wann haben diese Bildungspolitiker eigentlich entscheiden, dass die Tasche eines Grundschülers mehr wiegen muss, als mein Sturmgepäck bei der Bundeswehr? Und wann begreifen diese Bildungspolitiker endlich, dass acht Uhr als Uhrzeit für den Unterrichtsbeginn im Biorythmus eines jungen Menschen so nicht vorgesehen ist? Ich lächle grimmig.
Ich bin Zuhause. Ich gehe vor der Haustüre auf und ab. Ich genieße noch kurz diese Stimmung des erwachenden Wintermorgens. Ich will noch nicht ins Haus und unter die Dusche. Das Geräusch des Autoverkehrs nimmt zu. Die Vögel beginnen zu zwitschern. In unserer Küche geht das Licht an. Das Frauchen ist gerade aufgewacht und will Tee machen. Ich klopfe an die Fensterscheibe und winke ihr zu. Sie winkt zurück. Wir lächeln uns an.
Ich ziehe meine Laufschuhe auf der Haustürtreppe aus, stecken den Schlüssel ins Schloss, blicke noch einmal kurz in den nassen Wintermorgen zurück und betrete den Hausflur.
Ich denke kurz daran, dass ich früher wirklich einmal der Meinung war, es sei besser und schöner am Abend zu laufen. Geglaubt habe, ich sie morgens zu müde und nicht fit genug.
Ich lächle glücklich!